Einer der Gründe, weshalb ich überhaupt zur Hardcore-Szene kam, waren die politischen Texte der Bands. Mittlerweile höre ich weniger Hardcore, aber wenn, dann meistens politische Bands, die eine gewisse Repräsentation schaffen oder in ihren Liedern wichtige Themen ansprechen. Aus diesem Grund möchte ich im heutigen Post über die Band “G.L.O.S.S.” sprechen. Dabei handelt es sich um ein Akronym für “Girls Living Outside Society’s Shit”, Mädchen, die außerhalb der Scheiße der Gesellschaft leben. Ich finde, es gibt nicht viel, das mehr Punk ausstrahlt als dieser Name und er bringt ganz gut die Einstellung dieser Band herüber.
Sie waren eine Hardcore-Band aus Olympia in Washington und sprachen sehr offen über die Probleme, die die Trans-Identität mit sich bringen kann. Dabei schufen sie eine gute Repräsentation, die in der Szene und allgemein in der Gesellschaft nach wie vor wichtig ist. Zudem schreiben sie dabei gute Hardcore-Songs. Ich lasse den folgenden Clip für sich selbst sprechen.
Da ihr jetzt eine vage Idee davon haben solltet, wofür diese Band einstand, werde ich das an einigen ihrer Songs verdeutlichen. Dabei werde ich analysieren, wie die Band Trans-Sein herüberbringt und die Sängerin dabei andere Trans-Frauen bestärkt. Hierbei handelt es sich leider um ein Thema, das in der Szene immer noch wenig präsent ist, weshalb wir unbedingt mehr darüber sprechen müssen. Wenn Hardcore nicht inklusiv für jeden Menschen ist, ist die Szene überhaupt nichts wert. Also lasst uns darüber sprechen und die Szene und die Gesellschaft inklusiver und offener machen.
In diesem Post werde ich erneut toxische Männlichkeit und einige andere Themen aufgreifen, die ich bereits auf diesem Blog angesprochen habe. Wenn ihr dazu mehr wissen wollt, checkt also gerne die Posts ab. https://sovlpvnk.com/2020/04/20/listen-in-1-ein-zeichen-gegen-heteronormativitat-und-toxische-mannlichkeit-lemon-party-von-letlive/ Im nächsten Kapitel werde ich zudem das Konzept Transgender erklären, um die Basis für die folgenden Analysen zu schaffen.
Was heißt Transgender?
Laut Gender Wiki ist Transgender ein Sammelbegriff für Identitäten, bei denen die innere Empfindung des Geschlechts nicht mit dem Geschlecht, das bei der Geburt festgestellt wurde, übereinstimmt. Dies wird normalerweise an den primären und sekundären Geschlechtsorganen festgemacht (Vgl. Gender Wiki I). Eine Trans-Person identifiziert sich also nicht als das Geschlecht, das bei Geburt anhand der Geschlechtsorgane festgelegt wurde.
Das Gegenteil von Transgender ist Cisgender. Dabei stimmen das biologische Geschlecht (sex) und die empfundene Geschlechteridentität (gender) überein, beispielsweise bei einer männlichen Person, die sich auch als Mann identifiziert (Vgl. Gender Wiki II). Beide Worte gehen zurück auf Latein und cis heißt so viel wie “auf dieser Seite”, während trans das Gegenteil davon bedeutet, so viel wie “auf der anderen Seite” oder “gegenüber von” (Gender Wiki II).
Wie bei vielen anderen Identitäten sind Trans-Identitäten nicht homogen, sondern können vielseitige Ausprägungen haben, ähnlich wie Asexualität und Aromantik. Das Trans-“Spektrum” kann Männer, Frauen und non-binäre Personen umfassen und die Art und Weise, wie diese ihre Gender Identität oder sexuelle Orientiertung ausdrücken, können sich unterscheiden. Außerdem können sie Dysphorie, also stark negative Gefühle bezogen auf ihren Körper empfinden, da ihr Geschlecht und ihr Gender nicht übereinstimmen. Dies ist allerdings nicht bei jeder Trans-Person der Fall und man muss keine Dysphorie empfinden, um “wirklich trans zu sein” (Vgl. Gender Wiki I). Ähnlicherweise möchte aber auch nicht jede Trans-Person eine Transition, sprich geschlechtsangleichende Maßnahmen, um ihren Körper dem Gender anzupassen.

Bei diesem Thema ist es wichtig, respektvoll zu sein und die Identitäten anderer Menschen zu respektieren. Wenn sich jemand nicht mit dem Geburtsgeschlecht identifiziert, ist es lediglich eine Sache des Respekts, das zu akzeptieren und die korrekten Pronomen zu nutzen. Beim Umgang mit anderen Cis-Leuten ist es schließlich auch kein Problem, die richtigen Pronomen zu nutzen, also ist es nicht zu viel verlangt, wenn man Menschen darum bittet, beim Umgang mit Trans-Personen die richtigen Pronomen zu nutzen. Das führt uns zum Thema gender.
Grundlegend unterscheidet man zwischen dem “biologischen” Geschlecht und dem empfundenen, innerlich erfahrenen Geschlecht (Gender). Wie könnte das aussehen? Eine Trans-Frau zum Beispiel, ist eine Person, die sich als Frau identifiziert. Ihr Gender ist Weiblich, aber ihr wurde bei der Geburt das Geschlecht männlich zugeschrieben (Vgl. ebd.). Dem entsprechend ist ein Trans-Mann eine Person, die sich als männlich identifiziert und bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeschrieben bekam. Davon abgesehen können Menschen mit Merkmalen geboren werden, die weder klar als männlich oder weiblich klassifiziert werden können. Diese Menschen lassen sich als Intersex bezeichnen. Eine weitere Identität, die über statische binäre Geschlechtereinteilungen hinaus geht, ist non-binär. Eine non-binäre Person identifiziert sich weder als männlich, noch als weiblich und diese Kategorien könnten schlichtweg unzureichend oder unpassend sein, um die Identität eines non-binären Menschen zu beschreiben.
Eine ähnliche Identität, die jedoch sehr viele verschiedene umfassen kann, heißt gender queer. Ähnlich wie bei grauen asexuellen Identitäten scheint dies eine größere Oberkategorie mit verschiedenen Ausprägungen zu sein, die nicht zwingend klar abgegrenzt sind. Das ist keine Wertung, sondern lediglich ein Eindruck. Da es darauf bezogen einiges zu besprechen gäbe, dies jedoch den Rahmen des Posts sprengen würde, werde ich nicht weiter darauf eingehen. Der Fokus des heutigen Posts liegt eher auf Trans-Frauen, weshalb ich gender queerness an dieser Stelle also nicht weiter besprechen werde.
Ein weiteres Kernthema bezüglich Transgender ist die Transition. Dabei handelt es sich laut Gender Wiki um jegliches Handeln einer Trans-Person, das darauf abzielt, dass die äußere Welt besser deren empfundenes Geschlecht erkennt und anerkennt (Vgl. ebd.). Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Transition wie die Nutzung neuer Pronomen oder Namen, Veränderung des Kleidungsstils oder Operation (Vgl. ebd.). Es kann ein langer und schwieriger Prozess sein und ich denke, wir sollten Menschen einfach dafür respektieren, wer sie sind. Als Cis-Person macht man einfach keine vergleichbaren Erfahrungen. Eine (nicht-binäre) Trans-Person könnte zum Beispiel Dysphorie aufgrund der eigenen Anatomie und damit verbundenem falschen Gendern empfinden, während Cis-Personen wie ich nicht solchen Problemen ausgesetzt sind. Wir sind mit dem “richtigen Geschlecht” geboren und werden nicht falsch gegendert oder darauf basierend diskriminiert, es sei denn, man ist eine Frau. Daher sollten wir empathisch und nicht transphob sein, anders als die, deren Name nicht genannt werden darf.
Ebenfalls wichtig bezüglich Transitionen ist, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben und nicht jede Trans-Person den Bedarf fühlt, angleichende Maßnahmen zu treffen. Wenn das der Fall ist, ändert das jedoch nichts daran, dass diese Entscheidung komplett legitim ist. Außerdem sollte man NIEMALS fragen, wie weit eine Person in der Transition ist oder ähnliches. Das ist einfach nur respektlos. An dieser Stelle könnte man auch noch Gender Reveal Parties ansprechen, aber ich denke nicht, dass es Sinn macht, zu erklären, warum es fragwürdig ist, die Geschlechtsteile eines Babys zu feiern.
Ähnlicherweise ist die Sexualität ein eigenes Thema. Dabei muss man sich dem Einfluss der Gender Binary auf das Labeln sexueller Orientierungen bewusst sein. Wenn zum Beispiel eine Trans-Frau ihre Sexualität definiert, tut sie dies basierend auf ihrem Gender, also ihrer Identität als Frau, oder basierend auf ihrem angeborenen Geschlecht? Hierbei handelt es sich um eine Frage der Identität und das Ganze verdeutlicht erneut, dass Heteronormativität und die binäre Geschlechtereinteilung unzureichend sind, um die Realität zu beschreiben. Beide können auf die oben genannte Frage keine zutreffende Antwort geben. Identifiziert sich eine Trans-Frau beispielsweise als Lesbe, da sie nur auf Frauen steht, ist das legitim. Nur weil sie eine Transition durchläuft, heißt das nicht zwingend, dass sie am jeweils anderen Geschlecht interessiert ist. Wie dieses Beispiel verdeutlicht, können Trans-Menschen sehr unterschiedliche sexuelle Orientierungen haben, genau wie Cis-Menschen (Vgl. ebd.). Ist eine Person trans, so ist das eine Sache von deren Geschlechteridentität und nicht der sexuellen Orientierung. Letzteres ist ein ganz eigenes Thema und Angelegenheit der entsprechenden Person.
Wenn ihr die Gender Identity oder Sexualität einer Person in Frage stellt, würde ich euch gerne fragen, wie ihr darauf kommt, dass euch das überhaupt etwas angeht. Ganz im Ernst, wie sich jemand anderes identifiziert als ihr, betrifft euch nicht im geringsten und ich werde nie verstehen können, warum sich jemand über so etwas aufregen kann. Trans- und queere Identitäten im Allgemeinen sind komplett legitim und valide.
Da die Grundlagen nun besprochen sind, werde ich in den folgenden Kapiteln analysieren wie G.L.O.S.S. dieses Thema in ihren Liedern verarbeiten. Alle stammen von Bandcamp. Viel Spaß!
G.L.O.S.S. (We’re from the Future)
https://girlslivingoutsidesocietysshit.bandcamp.com/track/g-l-o-s-s-were-from-the-future
Dieser self-titled Song beginnt mit den folgenden Versen, die ihr auch im Clip zu Beginn des Posts sehen konntet:
‘THEY TOLD US WE WERE GIRLS/HOW WE TALK, DRESS, LOOK, AND CRY/THEY TOLD US WE WERE GIRLS/SO WE CLAIMED OUR FEMALE LIVES/NOW THEY TELL US WE AREN’T GIRLS/OUR FEMININITY DOESN’T FIT/WE’RE FUCKING FUTURE GIRLS LIVING OUTSIDE SOCIETY’S SHIT!’ -“Sie sagten uns, wir seien Mädchen, wie wir sprechen, uns anziehen, aussehen und weinen. Sie sagten uns wir seien Mädchen, also nahmen wir unsere weiblichen Leben für uns in Anspruch. Jetzt erzählen sie uns, dass wir keine Mädchen seien und unsere Weiblichkeit nicht herein passe. Wir sind Zukunfts-Girls, die außerhalb der gesellschaftlichen Scheiße leben”.
Diese Zeilen thematisieren sowohl toxische Männlichkeit als auch Transphobie. In der ersten Hälfte geht es darum, wie toxische Männer versuchen, “weniger männliche” Menschen zu degradieren, daher “they told us we were girls, how we talk, dress, look and cry”. Solches Verhalten ist leider immer noch weiblich konnotiert und triggert typischerweise toxische Pseudo-Machos, da es ihr Verständnis von Männlichkeit herausfordert und in Frage stellt. Wenn ein Mann sagt, dass es ok ist, zu weinen oder sich anderweitig “feminin” verhält, stellt er die Annahme in Frage, dass Männer “stark und emotional abgestumpft sein müssen und nicht ihre Verwundbarkeit präsentieren dürfen”, wie es toxische Bilder von Männlichkeit darstellen.
Die gleichen “harten Kerle”, die die Männlichkeit anderer in Frage stellen, tendieren auch dazu, Trans-Frauen in ihrer Weiblichkeit in Frage zu stellen:” So we claimed our female lives. Now they tell us we aren’t girls, our femininity doesn’t fit.” Das verdeutlicht die Einfältigkeit solcher toxischer Menschen: die Identitäten anderer gehen sie überhaupt nichts an und trotzdem versuchen sie, diese für andere zu definieren, um an ihrem eigenen toxischen Bild von Männlichkeit festhalten zu können.
Die letzte Zeile des Abschnitts verdeutlicht die Emanzipation der Sängerin, da sie erklärt, unabhängig von den veralteten Standards der Gesellschaft zu leben und aus der Zukunft zu kommen: “We’re fucking future girls living outside society’s shit!”
‘WE’RE FROM THE FUTURE/NOT FROM THE PAST/WE LIVE OUR OWN WAY NOT UP HISTORY’S ASS/WON’T REENACT WON’T PERFORM THEIR HARDCORE/THE STRAIGHT-BOY CANNON IS A ROYAL BORE’ – Wir kommen aus der Zukunft, nicht der Vergangenheit, leben auf unsere Art und Weise und wiederholen nicht einfach die Geschichte (kriechen der Geschichte nicht sonst wo hinein), wir werden nicht ihren Hardcore spielen, denn der Hetero-Boy-Kanon ist komplett langweilig”.
Die oben genannte Strophe verdeutlicht, wie die Band sich von den Standards anderer löst. Die Sängerin erklärt, dass sie ihren eigenen Weg gehen und nicht “der Geschichte in den Arsch kriechen” und sie aus Konformität einfach wiederholen. Das überträgt sie auch auf Hardcore, da sie sagt, dass die Band nicht “ihren” (heteronormativen) Hardcore spielen werde, da dieser langeweilig sei. In der eigenen Selbstwahrnehmung ist die Szene offen und inklusiv, doch hauptsächlich besteht sie immer noch aus Hetero-Typen, während Frauen oder, Gott bewahre, diversere Gruppen von Menschen noch immer nicht in der Szene normalisiert sind. Die vorherigen Zeilen verdeutlichen das: Die Szene ist übersättigt mit hetero Männern und es gibt einen großen Bedarf an mehr Diversität und Repräsentation. Zwar ist die Szene denke ich auf dem richtigen Weg, da die meisten wahrscheinlich Homo- und Transphobie ächten würden, aber queere Identitäten sind noch immer eher eine Ausnahme.
Mit den folgenden Zeilen rückt die Sängerin Queere und insbesondere Trans-Leute in den Vordergund, wodurch sie diese bestärkt. Da sie sagt, dass es nicht um irgendwelche Ausgestoßenen, sondern um die “Faggots und Femmes” gehe, macht sie diesen Punkt sehr klar. Hardcore-Kids sehen sich öfter als Aussenseiter und als anders als “Normies” außerhalb der Szene. Die im Vorfeld genannte Zeile spielt darauf an und betont, dass insbesondere Nicht-cishet- Menschen Repräsentation gebrauchen könnten:
‘THE FUTURE/FAGGOTS AND FEMMES!/THE FUTURE/NOT JUST ANY OUTCASTS /GIRLS/LIVING/OUTSIDE/SOCIETY’S/SHIT!’ “
Diese Bestärkung geht noch weiter: ‘WHAT’S THE POINT IN SUCKING THEM OFF/TRENDY MUTANT SKINHEADS CAN JERK THEMSELVES OFF/WE DON’T NEED VALIDATION FROM THEM/THEY THINK THEY’RE THE SHIT BUT THEY CAN’T HANDLE HARD FEMMES’. Worin liegt der Sinn, sie oral zu befriedigen? Trendige Mutanten-Skinheads können es sich genau so gut selbst machen. Wir brauchen nicht ihre Bestätigung, sie denken, sie seien der Shit, doch kommen nicht mit harten Frauen klar.”
Anstatt zu versuchen, es anderen Recht zu machen, pocht die Sängerin darauf, man selbst zu sein. Eure Identität ist valide und ihr braucht dafür niemandes Bestätigung, egal ob ihr transgender, cisgender, schwul, bi-, oder pansexuell seid oder mit welcher sexuellen oder Gender-Identität ihr euch identifziert. Das ist eine großartige, bestärkende Nachricht, die mit rohen Vocals vermittelt wird. Außerdem bringt die letzte Zeile einen weiteren tollen Punkt zum Ausdruck: Menschen, die euch vorschreiben, wie ihr euch zu identifizieren habt, kommen wahrscheinlich nur nicht damit klar, dass ihr nicht entsprechend ihren heteronormativen Standards lebt, also solltet ihr euch nicht darum sorgen, was sie denken könnten.
Zum Schluss wird erneut betont, dass es insbesondere um queere Menschen und besonders Frauen geht. “THE FUTURE/FAGGOTS AND FEMMES/THE FUTURE/NOT JUST ANY OUTCASTS”
Mit diesem Song überbringen G.L.O.S.S. eine wichtige Nachricht: wenn es um eure Identität geht, seid ihr souverän und niemand hat euch da rein zu reden. Toxische Männlichkeit, Homophobie, Transphobie und Hassrede allgemein sind veraltete Ansichten und deren Anhänger*innen sollten keinerlei Einfluss auf die Leben anderer Menschen nehmen können. Das führt uns zum zweiten Lied des heutigen Posts.
Masculine Artifice
https://girlslivingoutsidesocietysshit.bandcamp.com/track/masculine-artifice
Dieses Lied bietet eine Perspektive und einen Einblick in die Situation einer Trans-Person, die der binären Geschlechtseinteilung und dem damit verbundenen Druck ausgesetzt ist. ‘MEDICALIZED/UNDER THE KNIFE/EXPECTED TO BE GRATEFUL/TRAPPED IN THE LENS/OF THE CIS-GAZE/JUST ANOTHER SAD TRANSEXUAL’. “Auf Medikamenten, unter dem Messer, es wird erwartet, dass man dankbar ist, gefangen unter der Linse des Cis-Starrens, nur ein weiterer trauriger Transsexueller”. Diese Zeilen lassen sich nicht ganz sauber übersetzen. Der Punkt bleibt jedoch der gleiche: All dies sind Dinge, denen Cis-gender Menschen, wie ich nicht ausgesetzt sind. Wir durchlaufen keine Transition oder die Gefühle, die dazu führen und kennen nicht den Aufwand, der damit verbunden ist. Außerdem werden wir nicht konstant für unsere Geschlechter-Identität verurteilt, sondern der verurteilende Cis-Blick richtet sich auf Trans-Personen. Davon abgesehen durchläuft nicht jede Trans-Person eine Transition und es ist keinesfalls die Pflicht einer Trans-Frau oder eines Trans-Mannes, dies zu durchlaufen, um eine “echte Frau” oder ein “echter Mann” zu sein, daher “medilcalised, under the knife, expected to be grateful.” Dies könnten Erwartungen gegenüber oder Klischees zu Trans-Leuten sein, die natürlich nicht auf alle zutreffen. Nicht jede Person durchläuft eine Transition, aber das ändert nichts daran, dass sie vollkommen legitim in ihrer Entscheidung sind.
‘MASCULINITY/WAS THEIR ARTIFICE/RIP IT AWAY/FEMININITY/ALWAYS THE HEART OF US!/TRANS GIRLS BE FREE!’ “Männlichkeit war ihr Konstrukt. Reißt es ab! Weiblichkeit (war immer schon) unser Herz. Trans-Mädchen seid frei!”
Im Chorus, den ihr oben seht, verdeutlicht die Sängerin, dass Geschlechterrollen ein soziales Konstrukt sind. “Sie”, die Gesellschaft, zwingt Menschen basierend auf ihrem angeborenen Geschlecht Rollen auf. Wenn jemand transgender ist, passen diese Geschlechterrollen nicht auf deren Gender und man zwingt der Person im Endeffekt etwas auf, das nicht für sie richtig ist. Daher soll man diese Rollen ablegen (rip it away).
Weiblichkeit hingegen, ist “immer unser Herz”, was erneut betont, dass es eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Geschlechterrollen und dem Gender von Individuen gibt. Im Fall der Sängerin kam dies darin zum Ausdruck, dass sie als Mann gegendert und darauf basierend Erwartungen ihr gegenüber aufgestellt wurden, sie jedoch eine Frau ist.
Der letzte Abschnitt des Chorus verdeutlicht, warum wir über diese Themen sprechen und den Druck basierend auf dem gesellschaftlichen und empfundenen Geschlecht anerkennen müssen: das ist die Basis für Trans-Befreiung. Wir müssen versuchen, Trans-Individuen zu verstehen und sie unterstützen, ohne sie zu bevormunden. Das trifft auf alle Gruppen marginalisierter Menschen zu. Wenn wir sie nicht unterstützen, sondern bemuttern, können Trans-Männer und Frauen, sowie andere Trans-Menschen nie wirklich frei sein.
In der zweiten Strophe spricht die Sängerin diesen Aspekt in größerem Detail an: ‘I’M NOT PATHETIC/I’M NOT YOUR PROJECT/I WASN’T PUT HERE FOR YOU/SAME BULLSHIT STORY/ABOUT MY BODY/MEDIA DOESN’T HAVE A CLUE’. “Ich bin nicht erbärmlich, ich bin nicht euer Projekt und bin nicht für euch hier. Immer der gleiche BS über meinen Körper, die Medien haben keine Ahnung.” Es gibt viele Irrtümer und Leute versuchen, sich als Erlöser zu inszenieren, nehmen den Menschen, denen sie “helfen” wollen, jedoch die Möglichkeit, für sich selbst zu entscheiden, ergo “ich bin nicht euer Projekt etc..” Was Trans-Personen mit ihren Körpern machen und was für sie das beste ist, ist deren Entscheidung und wir können höchstens Unterstützer sein.
Nach dieser Strophe folgt erneut der Chorus, gefolgt von einem Outro, in dem es heißt “Lass mich in Ruhe, AHHGHHH!” Wir sollten den Kampf für Rechte nicht nutzen, um uns zu inszenieren, sondern ihn unterstützen. Andernfalls sind wir Teil des Problems.
Targets of Men
https://girlslivingoutsidesocietysshit.bandcamp.com/track/targets-of-men
Der letzte Song, den ich heute ansprechen werde, heißt “Targets of Men”, “Ziele von Männern” und dabei handelt es sich um ein Lied über Sexismus, Heteronormativität, Transphobie und die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen. Frauen schließt Trans-Frauen ein.
In diesem Lied wird ein Szenario beschrieben, dass leider täglich Frauen betrifft. Die Sängerin beschreibt, wie sie von einem Mann verfolgt wird, der sie belästigt. Als er merkt, dass sie Trans ist, beleidigt er sie. Allerdings wehrt sie sich:
Halt Abstand! Verzieh dich! Sicher nicht! Ja, ist gut.
Auf der Straße folgst du mir, belästigst mich von hinten, siehst mein Gesicht und tust mich ab als “Transe”, “Shemale”, “Schwuchtel”, Hure”.
Sie steht darüber und toleriert gleichzeitig aber auch nicht diese Unverschämtheiten. “Doch ich bin eine makellose Bitch, du bist einfach nur langweilig. Das Makeup ist für meine Augen, die Fischnetzstrümpfe für meine Schenkel. Mit diesem Gang gehe ich durch mein Leben.” Sie erklärt ihr Aussehen und betont, dass das lediglich ist, wer sie ist und den Kerl nichts angeht. Dann fragt sie ihn, ob er erst das Pfefferspray oder das Taschenmesser möchte und zeigt sich kämpferisch und bereit, sich zu verteidigen.
Der folgende Ausschnitt zeigt das grundlegende Problem mit diesem Thema: toxische Männer interessieren sich oftmals nicht für Einvernehmlichkeit und verhalten sich unangemessen. Dabei denken sie teils sogar, dass dieses Verhalten schmeichelhaft ist, wobei es jedoch für die betroffenen Frauen bedrohlich sein kann. Daher stellt die Sängerin folgende Fragen und sagt dem Mann, er soll abziehen:
‘DID I SAY YOU COULD LOOK AT ME?!/DID I SAY YOU COULD TALK TO ME?!/YOU REALLY THINK WE’D BE FRIENDS?!/SHUT YOUR FUCKING MOUTH AND HANG YOUR HEAD/I DON’T REMEMBER INVITING YOUR WORDS/I DON’T REMEMBER INVITING YOUR GAZE/I’D NEVER ASK YOUR OPINION OF SHIT!’
“Hab ich dir erlaubt, mich anzusehen? Hab ich gesagt, du darfst mich ansprechen? Denkst du wirklich, wir könnten Freunde sein? Halt’ deine Klappe und senk’ den Kopf! Ich kann mich nicht daran erinnern, nach deiner Meinung gefragt zu haben. Ich kann mich nicht daran erinnern, deinen Blick gutzuheißen und würde niemals nach deiner Meinung zu etwas fragen!”
So zeigt man Müll, wo er hingehört. Ich liebe den Sass der Sängerin in diesem gesamten song. Allerdings ist das leider nicht sehr realistisch, da man in einer solchen Situation nie wissen kann, wie der Gegenüber reagiert und somit riskieren würde, in Gefahr zu geraten. Daher denke ich, dass wir am grundlegenden Problem arbeiten müssen, nämlich Sexismus, dem Patriarchat und Hassrede. Dem entsprechend müssen wir Feminismus und direkten Widerstand gegen sexistische und allgemein menschenverachtende Verhaltensweisen normalisieren und vermeiden, dass es überhaupt zu Situationen kommt, wie sie hier beschrieben werden.
Um das Lied mit Stil zu beenden, bemerkt die Sängerin lediglich “Mein Körper, meine Regeln. Komm damit klar!” Das verweist auf ein weiteres Problem. Wir sind immer noch nicht an dem Punkt, an dem Frauen und insbesondere Trans-Personen komplett frei über sich selbst bestimmen können, da es weiterhin Menschen gibt, die versuchen, Kontrolle über deren Körper auszuüben. Ein weiteres Beispiel hierzu wäre auch die Stigmatisierung und Kriminalisierung von Sex-Arbeit. Es gibt sehr viele Vorurteile und ich selbst arbeite daran, diese abzulegen, da Sex-Arbeit oft als “weniger wertvolles” und “unrechtmäßiges” Gewerbe dargestellt wird, wodurch Menschen in diesem Feld stigmatisiert werden. Das ist allerdings ein ganz eigenes Thema.
Was können wir von G.L.O.S.S. lernen?
Eine Lektion in Sachen Selbstwert
- egal, was andere zu euch sagen, eure sexuelle und geschlechtliche Identität ist valide
- Lasst euch nicht von anderen definieren
- ihr müsst nicht nach gesellschaftlichen Standards leben, insbesondere wenn diese ein Mittel der Repression sind
- Lebt so, dass ihr glücklich seid, “außerhalb der gesellschaftlichen Scheiße”
Ein Wechsel der Perspektive
- Cis-Menschen wie ich müssen versuchen, zu verstehen, was es heißt, trans zu sein
- wir müssen den Kampf für Trans-Rechte unterstützen
- keine Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg treffen
- in “Targets of Men” sieht man, wie unangenehm es sein kann, belästigt zu werden und bekommt einen kleinen Eindruck davon, was (Trans-)Frauen täglich durchmachen
- sexuelle Belästigung ist niemals ok, ob durch Genitalphotos, Catcalling, Beleidigung oder in anderen Formen, sie erzeugt ein Gefühl von Unsicherheit
G.L.O.S.S. waren eine großartige Band, die Trans-Personen in der Szene eine Stimme und Repräsentation gab. In der Szene mangelt es weiterhin an Repräsentation und mehr Bands sollten über Themen wie Gender, Misogynie und Hassrede sprechen oder auch einmal den Status quo in der Szene hinterfragen. Sie ist weiterhin männlich dominiert und Trans-Personen sind noch immer ein Ausnahmefall, was schade ist, besonders da die Szene sich sehr gerne als weltoffen präsentiert. Wir müssen mehr über diese Themen sprechen und sie normalisieren. Wenn Hardcore nicht für jeden Menschen offen zugängig und inklusiv ist, ist die Szene überhaupt nichts wert, da sie dann ihre eigenen Werte verrät. Ein letztes Mal: Trans-Frauen und -Männer sind vollwertige Frauen und Männer.
Warum müssen wir noch von “Trans- Frauen und Männern” sprechen? Es sollte selbstverständlich sein, dass sie legitim und vollwertige Männer, Frauen und Menschen sind, doch wir sind faktisch noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem dies der Realität entspricht. Trans-Personen werden nach wie vor diskriminiert und Beispiele wie J.K. Rowling und einige ihrer Unterstützer, die die Definition von Transphobie in Frage stellen, um Rowlings Transphobie zu relativieren und zu rechtfertigen verdeutlichen dies. Wir müssen also von Trans-Frauen etc. sprechen, weil dieser Teil ihrer Identität eben leider noch einen negativen Einfluss auf ihr Leben haben kann und wir dies ausblenden, wenn wir nur von Frauen und Männern sprechen. Bitte seid verständnisvoll und verhaltet euch respektvoll gegenüber anderen.
Es dauerte etwas, aber ich bin wieder zurück. Mein Umzug ist durch und ich brauchte danach eine kurze Pause. Allerdings hatte ich im Vorfeld bereits einige Posts geplant und freue mich darauf, weiterzumachen. Wie immer könnt ihr gerne kommentieren oder auf Twitter schreiben, wenn ihr über das Thema sprechen möchtet.
Auch wie immer vielen Dank für’s Lesen und bis zum nächsten Mal.
-sovlpvnk
Quellen:
Gender Wiki I. “Transgender.” In: gender.wiki.org, URL: https://wordpress.com/block-editor/post/sovlpvnk.com/4567 [18.09.2020].
Gender Wiki II. “Cisgender.” In: gender.wiki.org, URL: https://gender.wikia.org/wiki/Cisgender [18.09.2020].
G.L.O.S.S. . “G.L:O.S.S. (We’re From The Future).” DEMO, via TOTAL NEGATIVITY/NERVOUS NELLY in the US and SABOTAGE in Europe, 2015.
G.L.O.S.S. . “Masculine Artifice.” DEMO, via TOTAL NEGATIVITY/NERVOUS NELLY in the US and SABOTAGE in Europe, 2015.
G.L.O.S.S. . “Targets of Men.” DEMO, via TOTAL NEGATIVITY/NERVOUS NELLY in the US and SABOTAGE in Europe, 2015.
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