Listen-In #5: With War – Indigener Widerstand gegen Kolonialismus

Das Cover zu Promo 2018 von With War

Content Warning: Kolonialismus, Genozide, Missbrauch, Gewalt

Die Ereignisse des vergangenen Jahres verdeutlichten noch einmal den Einfluss von Kolonialismus und zogen etwas mehr Aufmerksamkeit auf das Thema. Zurecht, denn viele Länder mit kolonialer Vergagenheit, wie Deutschland, die USA und Kanada kämpfen weiterhin damit, diese aufzuarbeiten.

Wenn es um Kolonialismus geht, sollte man nicht nur aus einer “Siedler”-Perspektive sprechen, sondern auch die indigenen Perspektiven beleuchten, da indigene Völker im Zuge des Kolonisierungsprozesses diversen Gräueltaten ausgesetzt waren. Wenn wir deren Blickwinkel ausblenden und stumm schalten, führen wir indirekt diese koloniale Tradition und die damit verbundene Gewalt weiter, da wir so die die etwaigen Systeme aufrecht erhalten, die indigene Stimmen ruhig halten.

Die Funde von Leichen und nicht gekennzeichneten Gräbern in kanadischen Residential Schools rufen erneut ins Gedächtnis, welche Verbrechen auf dem amerikanischen Kontinent und auch in anderen Ländern im Zuge des Kolonialismus begangen wurden. Darüber hinaus verdeutlicht die Tatsache, dass solche Funde bis heute ausblieben, die Wichtigkeit dieses Themas zur heutigen Zeit: die Kolonialismus hat noch heute Auswirkungen, insbesondere, wenn er nicht richtig aufgearbeitet wird.

Wir müssen uns informieren und den Dialog über dieses Thema aufrecht erhalten. Daher möchte ich im heutigen Post über eine Band sprechen, die mit ihrer Musik eine indigene Perspektive dazu bietet: “With War”.

Die Basics

Zunächst erkläre ich kurz einige Konzepte, die nötig sind, um zu verstehen, worüber diese Gruppe überhaupt spricht. Danach werden wir den Song 1868 in größerem Detail beleuchten.

Kolonialismus ist ein breites Thema, das durch seinen schieren Umfang abschreckend wirken kann. Da er jedoch in großen Maßen die Welt, in der wir leben, beeinflusste, ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Beispielsweise wurde dadurch auch die Basis für den menschgemachten Klimawandel im heutigen Ausmaß geschaffen und insgesamt die westliche Welt stark geprägt. Dieser Post ist kein Einstiegswerk zu dem Thema, sondern viel mehr eine ganz kleine Einstiegsmöglichkeit, die ihr nutzen könnt, um euch weiter darüber zu informieren. Dafür findet ihr am Ende des Posts meine Quellen und erhaltet eine Literatur-Empfehlung, die euch als weiterer Anfangspunkt dienen könnte.

Wir sind nicht für die Handlungen unserer Vorfahren verantwortlich, aber dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Daher sollten wir gegen Unterdrückung jeglicher Art stehen, auch heute, insbesondere wegen der anhaltenden Unterdrückung von BIPoC heutzutage.

Eine weitere Bemerkung: Kolonialismus betrifft nicht nur indigene Menschen, sondern auch andere PoC. In diesem Post liegt der Fokus auf einer indigenen Perspektive, was nicht die Erfahrungen anderer marginalisierter Gruppen ausblenden soll.

Mit dem aus dem Weg, was ist Siedlerkolonialismus?

Siedlerkolonialismus

Siedlerkolonien waren die Art von Kolonie, in denen das größte Maß an Gewalt stattfand. Dort wurde die Hauptbevölkerung größtenteils durch “Siedler” ersetzt. In den Worten von Barker und Lowman, werden im Siedlerkolonialismus indigene Bevölkerungen durch eine invasive Siedlergesellschaft ersetzt, die mit der Zeit eine eigene Identität und Souveranität entwickelt (Barker, Lowman).

Barker und Lowman nennen darüber hinaus drei Eigenschaften von Siedlerkolonialismus, die dabei helfen, die Intentionen hinter diesem Konzept zu verstehen. Dabei betonen sie die Gewalt, die mit diesem Prozess verbunden ist.

Laut ihnen zielen Siedler-Kollevtive darauf ab, permanent indigene Länder zu besatzen und über diese Dominanz auszuüben. Zweitens handelt es sich dabei nicht um ein einzelnes Ereignis, sondern eine Struktur: Siedlerkolonialismus kommt in der anhaltenden Auslöschung indigener Völker, der Etablierung einer Staatssouveränität und gesetzlichen Kontolle über deren Länder zum Ausdruck (Barker, Lowman). Man versuchte also nicht lediglich, Kontrolle über ihre Länder zu erlangen, sondern auch indigene Völker kontinuierlich auszulöschen.

Das führt schließlich zum dritten Merkmal von Siedlerkolonialismus, der Ausrichtung auf ein Ende. Während in anderen Arten von Kolonien Machtungleichgewichte zwischen Kolonisten und den besatzten Völkern geschaffen und zugunsten der Machthabenden aufrecht erhalten wurden, arbeitete Siedlerkolonialismus auf einen komplett dominanten Siedlerstaat hin, dessen Souveränität nicht durch indigene Ansprüche auf Land und Legitimität herausgefordert werden sollte (Baker, Lowman).

Siedlerkolonialismus löscht indigene Völker aus und ersetzt sie durch Siedler, um einen unherausforderbaren Siedlerstaat zu schaffen, der in Folge durch Narrative als legitim dargestellt wird.

Am Beispie der USA wird klar, welche Formen das annehmen kann, wenn man Feiertage, wie Columbus Day und Thanksgiving betrachtet, die ein Narrativ der friedlichen Besiedlung aufrecht erhalten.

source: https://gifnews.tumblr.com/post/99945212735/instead-of-columbus-day-some-us-cities#= Beschreibung: ein gif zeigt ein Portrait von Columbus, das durchgestrichen wird

Andere Länder, die als Beispiele für Siedlerkolonialismus dienen können, sind Australien, Kanada und Neuseeland. Auch dort lassen sich Narrative eines friedfertigen Siedlungsprozesses erkennen, wie die Terra-Nullius-Doktrine, die das Land als leer darstellte und somit dessen Besatzung rechtfertigte.

Darin besteht auch die Verbindung von Kolonialismus zur heutigen zeit. Wenn wir nicht über die Ereignisse sprechen und nicht die Genozide anerkennen, die gegen indigene Völker begangen wurden, erhalten wir quasi dieses Narrativ aufrecht und führen somit die Geschichte kolonialer Gewalt weiter.

Ein Mittel, um einen solchen Staat zu schaffen, war das Residential-School-System, welches ich im kommenden Kapitel ansprechen werde, da es aufgrund der Funde in letzter Zeit leider immer noch viel zu relevant ist.

Residential Schools – Ein kultureller Genozid

Residential schools , wie die bei Kamloop, Ottawa, in der vor kurzem mehr als 200 Leichen gefunden wurden, waren eine Maßnahme, in deren Zuge indigene Völker von ihren Wurzeln und Familien getrennt wurden.

Hanson erklärt dieses System wie folgt:

The term residential schools refers to an extensive school system set up by the Canadian government and administered by churches that had the nominal objective of educating Indigenous children but also the more damaging and equally explicit objectives of indoctrinating them into Euro-Canadian and Christian ways of living and assimilating them into mainstream white Canadian society (Hanson, 2009).

Dabei handelte es sich um ein Schulsystem, das von der kanadischen Regierung errichtet und duch Kirchen verwaltet wurde und indigene Kinder dem kanadischen und christlichen weißen Mainstream anpassen sollte.

In der Essenz diente dieses System der Entfremdung indigener Kinder von ihren Kulturen und Familien. In diesem Prozess durften diese nicht ihre eigene Sprache sprechen und wurden Opfer physischen, sexuellen, emotionalen und psychischen Missbrauchs durch das Lehrpersonal. Das alles fand mehr als 100 Jahre lang statt und zog sich von den 1880er Jahren bis in die 1990er Jahre (Hanson, 2009).

Ergo existierten diese Schulen noch bis vor relativ kurzer Zeit, was erneut die Relevanz des Themas verdeutlicht. Nicht einmal vor 30 Jahren wurden indigene Kinder unter schrecklichen Bedingungen zwangsweise an die weiße kanadische Kultur angepasst und davon abgehalten, gegen die Regierung vorzugehen, die hinter diesem System steckte.

Die kanadische Regierung beging einen Genozid, da diese Praktiken darauf abzielten, indigene Lebensweisen auszulöschen. Residential Schools waren nur ein Kapitel in diesem Prozess kolonialer Gewalt und selbst heute sind dessen Auswirkungen auf die Leben indigener Menschen sichtbar. Genau deshalb ist es wichtig, diese Ereignisse weiter zu thematisieren und indigene Perspektiven, wie die von “With War” zu hören.

Siedlerkolonialismus und sein Nachwirken in 1868 von “With War”

In ihrem Lied “1868” bieten “With War” eine indigene Perspektive zu Siedlerkolonialismus. Den Track findet ihr hier: https://withwar.bandcamp.com/track/1868

Der Track beginnt mit einem Audio-Clip von Jocelyn Wabano-Iahtail, einer Person, die Die Baawating Water Protectors unterstützt. Darin konfrontiert sie die kanadische Presse mit dem kolonialen Vermächtnis von Staaten wie Kanada und betont, wie Kolonialismus noch heute Nachwirkungen hat. Hört euch den Track am besten selbst an.

Die erste Strophe fasst kurz Siedlerkolonialismus zusammen und dekonstruiert die Idee einer friedlichen Besiedlung Amerikas:

This nation was built on broken promises
Forged on the removal of its original people
Extermination in the disguise of discovery
History repeats itself
Your silence is deafening

Wie im Siedlerkolonialismus üblich, moniert, das die USA durch Entfernung ihres ursprünglichen Volkes geschaffen wurden (forged on the removal of its original people), was den anhaltenden Genozid gegenüber den indigenen Völkern Amerikas widerspigelt.

Darüber hinaus verwirft die Gruppe das Narrativ einer Entdeckung und von Terra Nullius, indem sie bemerkt, dass die Ereignisse eher eine Auslöschung getarnt als Entdeckung, als ein friedlicher Entdeckunsgprozess seien. (extermination in disguise of discovery). Amerika war kein leeres Land, sondern lebten dort lange vor der Kolonisierung Menschen. Terra Nullius war lediglich ein Vorwand für “Entdeckungen” oder vielmehr die gewalttätige Übernahme indigener Länder.

Die darauf folgenden Verse verdeutlichen, warum es wichtig ist, diese Verbrechen einzuräumen. So zeigen sie nämlich, wozu eine Weiterführung kolonialer Narrative führt: “Die Geschichte wiederholt sich. Eure Stille ist betäubend”. Wenn wir nicht über diese Problematiken sprechen, halten wir die Stille darüber aufrecht und führen somit indirekt die Gewalt gegen indigene Völker weiter. Durch unseren Mangel an Handeln tragen wir aktiv dazu bei, dass sich die Geschichte wiederholt und werden mitschuldig an dieser kolonialen Gewalt.

Auch die Frage “How many more lives must be lost before you acknowledge our existence?” verdeutlicht dies. Auf Deutsch: Wie viele Leben müssen verloren gehen, bevor ihr unsere Existenz anerkennt? Kolonialismus wirkt sich noch heute auf die Leben indigener Menschen aus und Verweigerung, dies anzuerkennen trägt nur dazu bei. Wenn wir nicht den Einfluss der Vergangenheit einräumen und auf Reparaturen hinarbeiten, schaden wir indigenen Menschen, umso mehr.

Das verdeutlichen auch Studien zur Selbstmordrate unter First-Nations-Zugehörigen. Diese haben eine dreimal so hohe Selbstmordrate wie nicht-indigene Menschen: 24,3 im Vergleich mit 8 zu 100000, was die heutigen Nachwirkungen des Kolonialismus auf die Psyche indigener Menschen in Amerika verdeutlicht (Stober). Auch, wenn man sich die Selbstmordrate unter First Nations in und außerhalb Reservaten betrachtet, wird dies klar: First Nations in Reservaten haben eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, sich das Leben zu nehmen, wie solche außerhalb von Reservaten (Stober). Die koloniale Geschichte hat also durchaus noch heute Auswirkungen auf indigene Menschen.

In der nächsten Strophe betont die Frontperson, wofür die band als Ganzes steht und hebt dabei erneut vor, dass Schweigen zu den Auswirkungen kolonialer Gewalt auf indigene Bürger*innen beiträgt:

We will not be made invisible
Listen to our cries for the murdered and the missing
This violence will not go unnoticed
We will not turn the other eye
Where is our retribution?

“With War” lehnen die Stummschaltung indigener Völker ab und deklariren, dass sie nicht unsichtbar gemacht und für die Ermordeten und Vermissten ihre Stimmen heben werden (We will not be made invisible. Listen to our cries for the murdered and the missing). Zum einen spielen sie damit wahrscheinlich auf die koloniale Geschichte allgemein an. Zum anderen könnte es sich hierbei um eine Anspielung an Hate Crimes gegenüber indigenen Menschen zur heutigen Zeit handeln, da dieses Motiv später im Song wiederkehrt.

Darüber hinaus wirft die Band die Frage nach Wiedergutmachung auf, was den Handlungsbedarf betont. Die USA und Kanada existieren weiterhin auf gestohlenem Land und noch heute werden indigene Positionen zu Problemen wie dem Klimawandel ausgeblendet, weshalb sie oftmals keine Handlungsmöglichkeiten in diesen Belangen erhalten.

Indigene Völker sind tendenziell früher vom Klimawandel betroffen als nicht-Indigene Gruppen und wenn ihre Positionen zu solchen Themen nicht gehört werden, intensiviert das die Auswirkungen des Kolonialismus ihnen gegenüber umso mehr. Indigene Völker und Individuen brauchen Handlungsmöglichkeiten und sollten Gehör finden.

Zum Höhepunkt des Songs listen “With War” Verbrechen auf, die gegen die indigene Bevölkerung Amerikas begangen wurden und erneut die anhaltenden Auswirkungen kolonialer Gewalt auf diese verdeutlichen. Dabei handelt es sich nicht lediglich um Verbrechen der Vergangenheit, sondern auch um heutige Verbrechen.

Highway of Tears
Forced sterilization
Sixties Scoop
Boarding school generation
Endless threats on our bodies
Borders drawn on our land
We are still here


We will always remain

Auf dem Highway of Tears werden große Mengen an Frauen ermordet oder verschwinden. Ein unverhältnismäßig großer Anteil davon ist von indigener Abstammung (Sabo). “Forced sterilization” spielt auf die Zwangsterilisationen an, denen Indigene Völker nicht nur in den USA und Kanada, sondern auch in Australien ausgesetzt wurden.

Der Sixties Scoop hingegen, war eine Weiterführung des Prinzips hinter dem Residential School System. Laut The Indigenous Foundations handelt es sich dabei um die massenhafe Entfernung von Kindern aus ihren Familien, meist ohne Zustimmung ihrer Eltern (Indigenous Foundations). Noch heute befindet sich ein unverhältnismäßig großer Anteil indigener Kinder im Adoptionssystem (ebd.) Auch führten solche Adoptionen oftmals zu Identitätskrisen und schadeten den Kindern insgesamt (ebd.).

Als eine letzte historische Referenz nennt die Band boarding schools, deren Einfluss wir bereits besprochen haben. Die darauf folgenden Verse führen uns erneut den Einfluss all dieser Ereignisse vor Augen, da “With War” sie als “endless threats on our bodies” bezeichnen. Kolonialismus und die damit verbundene Gewalt haben anhaltende Auswirkungen und beeinflussen indigene Menschen kontinuierlich.

“Borders drawn on our lands” spricht zum Einen die Geschichte der Vertreibung und Zwangsumsiedlung an, in deren Zuge indigene Menschen aus ihren ursprünglichen Gebieten vertrieben und in Reservate verdrängt wurden. Andererseits könnte es auch eine Referenz zum heutigen Umgang mit indigenen Landansprüchen sein, da selbst heute indigene Völker oftmals keine Handlungsfreiheit und Souveränität über ihr Land erhalten und mit Staaten oder Konzernen um ihre Rechte ringen müssen. Beispielsweise ist das der Fall, wenn gewisse (Ex-) Präsidenten Zäune bauen möchten, um Flüchtende von “ihrem” Land fern zu halten oder wenn Pipelines durch Reservate gezogen werden sollen. Indigene Menschen sollten über ihre Leben bestimmen können und nicht aktiv benachteiligt werden. “With War” betonen erneut den Handlungsbedarf, der hier besteht.

Zum Schluss erklärt die Frontperson erneut, dass die Band an ihren Wurzeln festhalten und sich gegen Kolonialismus einsetzen wird: “Wir sind immer noch hier und werden immer hier sein.”

Was kümmert’s mich?

Da gibt es einige Gründe: erstens die Entdeckungen in Residential Schools in Kanada, die einen weiteren Einblick in die Ausmaße der Genozide in Nordamerika bieten, da dort allein in einer Schule mehr als 200 Leichen und in einer ähnlichen Institution mehr als 700 nicht gekennzeichnete Gräber gefunden wurden (Newton, Chaves). Wenn man sich vor Augen führt, dass das nur zwei solcher Institutionen waren, wird klar, wie viele potentielle Opfer es noch gab.

Zweitens ist das koloniale Vermächtnis von ehemaligen Kolonien, wie den USA, offensichtlich: dort gibt es immer noch Feiertage wie Thanksgiving und Columbus Day, welche eine angebliche “Entdeckung” feiern, obwohl diese vielmehr ein Vorwand für eine gewaltsame Besatzung mit mehreren kontinuierlichen Genoziden und der Zwangsumsiedlung der ursprünglichen Einwohner*innen des Kontinentes war. In diesem Kontext von Entdeckung zu sprechen, beschönigt diese Geschichte der Gewalt gegenüber Indigenen Völkern und setzt direkt Kolonialismus fort, da man dadurch schlichtweg verneint, was geschah.

Foto von Ehimetalor Akhere Unuabona auf Unsplash. Bildbeschreibung: bei einem Protest hält jemand ein Plakat mit der Aufschrift “White Silence = Violence”

Das geht über die vereinigten Staaten und ehemalige Kolonien hinaus. Während die Gründungsmythe der USA auf einem Narrativ des Siedlungsprozesses basiert, welches die koloniale Geschichte des Staates beschönigt, ist in Deutschland ein Großteil der kolonialen Geschichte noch nicht aufgearbeitet und verschwiegen worden.

Die letzten Monate gab es Schritte zur Anerkennung der Verbrechen gegenüber Namibia und den Herero und Nama, doch ob das nicht eher ein Schritt war, um sich selbst in ein positives Licht zu rücken, anstatt sich ernsthalft zur Verantwortung zu ziehen, bleibt offen zur Debatte.

Die Eröffnung des Humboldt Forums in Berlin, woch auch Raubgut aus kolonialen Zeiten ausgestellt wird, gepaart mit dem Fakt, dass deutsche Kolonialgeschichte im Lehrplan außen vor bleibt, deuten darauf hin, dass es bezüglich des deutschen Kolonialismus noch einiges zu verarbeiten gilt. Übrigens hat es mehr als 100 Jahre gedauert, bis dieser Genozid anerkannt wurde, was erneut verdeutlicht, wie mangelhaft die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus ist.

Das Allermindeste, das wir tun können, ist zu verhindern, dass ähnliche Dinge wieder passieren. Das heißt auch, dass wir auf diese Themen aufmerksam machen müssen. Letztes Jahr gab es im Zuge der Black Lives Matter Bewegung einige Petitionen, dieses Thema stärker in den Lehrplan aufzunehmen, was ein Schritt in die richtige Richtung wäre, aber insgesamt müssen wir uns dieser Themen einfach stärker bewusst sein und mehr darüber sprechen, unabhängig davon, wo wir leben, zumal die aktuellen Ereignisse sehr deutlich das Nachwirken des Kolonialismus verdeutlichen.

Etwas positive Repräsentation

Da das hier ein sehr düsteres und ernstes Thema ist, insbesondere für Menschen, die direkt davon betroffen sind, möchte ich auch einen kleinen Lichtblick bieten.

Daher kann ich allen, die an diesem Thema interessiert sind, Cherie Dimalines “The Marrow Thieves”, zu Deutsch “Die Traumdiebe”, empfehlen. Dieser dystopische Climate-Fiction-Roman dreht sich um eine Gruppe indigener Überlebender in einer kolonialen Post-Apokalypse. Die Autorin ist selbst indigener Abstammung und schrieb den Roman eigens, um ihren Leuten, den Métis, Kraft und eine Perspektive zu geben, da diese hohe Selbstmordraten haben.

Das Buch ist relativ kurz und bietet eine angenehme und schnelle Leseerfahrung, ist dabei aber auch sehr lehrreich. Einerseits bietet es indigenen Menschen Repräsentation, anderereseits bietet es Außenstehenden einen Einblick in die Auswirkungen des Kolonialismus auf indigene Menschen. Somit bietet es definitv einen interessanten Perspektivwechsel.

Das Cover zu Cherie Dimaline’s “The Marrow Thieves”. Artwork by Chief Lady Bird

Darin liefert Dimaline von Anfang bis Ende eine fesselnde Geschichte, in deren Verlauf man über den Einfluss von Residential Schools auf indigene Völker lernen kann. Anhand einer kolonialen Klimakatastrophe bietet die Autorin insbesondere eine indigene Perspektive auf Residential Schools und Kolonialismus insgesamt, wobei sie auch die Überschneidungen zwischen Kolonialismus und Klimawandel aus dieser Perspektive beleuchtet und verdeutlicht, wie stark beide für indigene Menschen zusammenhängen und diese beeinflussen.

An dieser Stelle jedoch eine eindeutige Inhaltswarnung: Der Roman behandelt sehr düstere Themen, unter anderem Genozid, Missbrauch, Vergewaltigung und Gewalt allgemein!

Darüber hinaus kann ich wärmstens Kyle P. Whyte, einen indigenen Wissenschaftler empfehlen, dessen Arbeit meine Leseerfarhung des Buches stark beeinflusste. Wenn ihr vorhabt, “Die Traumdiebe” zu lesen und euch auch für den theoretischen Aspekt interessiert, schaut euch definitiv seine Arbeiten zu Indigenous Knowledges an. Dadurch erhaltet ihre ein viel tieferes Verständnis von dem Konzept und Prinzip, das hinter Residential Schools steckt. Die Zitation findet ihr unten.

Wenn ihr darüber hinaus Ressourcen sucht, überlegt definitiv, “With War” auf Instagram zu folgen. Dort findet ihr regelmäßig Infos zu indigenen und auch intersektionalen Themen: https://www.instagram.com/withxwar/?hl=de

Wie immer, vielen Dank für’s Lesen. Fallen euch ähnliche Künstler*innen und Werke ein, die diese Themen verarbeiten? Dann schreibt sie gerne in die Kommentare. Ich bin immer offen, um mehr dazu zu lernen.

-sovlpvnk

Quellen

Barker, Adam and Emma Battell Lowman. ‘Settler Colonialism.’ Global Social Theory, globalsocialtheory.org, URL: https://globalsocialtheory.org/concepts/settler-colonialism/, accessed on 13 June 2021.

Hanson, Eric, et al. ‘The Residential School System.’ Indigenous Foundations. First Nations and Indigenous Studies UBC, 2020. URL: https://indigenousfoundations.arts.ubc.ca/the_residential_school_system/. Accessed on 11 June 2021.

Indigenous Foundations. ‘Sixties Scoop’. Indigenous Foundations. First nations and Indigenous Studies UBC, 2020. URL: https://indigenousfoundations.arts.ubc.ca/sixties_scoop/. Accessed on 3 July 2021.

Newton, Paula, and Nicole Chavez. ‘More than 700 unmarked graves found at a former residential school in Canada, officials say’. CNN, 25 June 2021, URL: https://edition.cnn.com/2021/06/24/americas/canada-unmarked-graves-discovered/index.html. Accessed 3 July 2021.

Sabo, Don. ‘Highway of Tears’. The Canadian Encyclopedia, 6 June 2016, URL: https://www.thecanadianencyclopedia.ca/en/article/highway-of-tears. Accessed on 19 June 2021.

Schwarz, Henry and Sangeeta Ray. ‘Settler Colonies’. A Companion to Postcolonial Studies, edited by Henry Schwarz, Sangeeta Ray, Wiley-Blackwell, 2004, pp. 360-376.

Stober, Eric. ‘First Nations suicide rate 3 times higher than for non-Indigenous people: StatsCan’. Global News, 10 June 2019, URL: https://globalnews.ca/news/5448390/first-nations-suicide-rate-statscan/. Accessed on 3 July 2021.

Whyte, Kyle. “Indigenous Climate Change Studies: Indigenizing Futures, Decolonizing the Anthropocene.” English Language Notes, Volume 55, Number 1-2, Spring/Fall 2017, pp. 153-162.

With War. ‘1868’. 2018 Demo, 2018.

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Published by sovlpvnk

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